Homestories

Ökologische Siedlung

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Anke wollte etwas Eigenes bauen, nachhaltig leben und mit Menschen eine Gemeinschaft schaffen. Was vor knapp 20 Jahren mit einer Idee begann, ist heute die Ökohaussiedlung Neumühlen in Verden. Zu Besuch bei den Exoten im Neubaugebiet.

Wer Anke in Verden besucht, am Rand des Stadtwaldes und nahe der großen Verdener Düne, der sieht auf dem Weg die Einfamilienhausmode der vergangenen Jahrzehnte. Zeitlich modernste Beispiele sind die Exemplare mit dunklen Dachziegeln, die in der Sonne glänzen, als seien sie frisch lackiert, dunkler Steinfassade und einem Vorgarten, dessen eine Hälfte gepflastert und der Rest mit Kies bedeckt.

Das Doppelhaus von Anke scheint wie ein Gegenentwurf. Das Haus ist in Holzträgerbauweise entstanden, als Dämmung dienen Zellulose-Flocken, es strahlt in einem warmen Blau. Beim Besuch im Mai grünt und blüht es überall, in den Hochbeeten wächst nicht nur der Mangold, am Balkon treibt das erste Grün aus dem wilden Wein. Vor dem Haus parken nicht die obligatorischen zwei Autos, das Paar kommt ohne aus, dafür hängt unter dem Vordach ein Tandem über den Dutzenden Setzlingen, die Anke gezogen hat.

Ein Antrieb: Endlich mal etwas Neues bauen

Das Haus gehört zur Gemeinschaftssiedlung Neumühlen. Gemeinschaftliches und umweltbewusstes Leben stand als Idee am Anfang des Projekts. Anke wollte gerne etwas Eigenes gestalten. Und hatte ihren Lebensgefährten Ralf auf ihrer Seite, denn schließlich ist der nicht nur gelernter Zimmermann, sondern arbeitet mittlerweile als Architekt. Mit Freunden entwickelten sie die Idee, eine eigene Siedlung zu bauen – gemeinsam und nach ökologischen Standards. Dass es sie von Bremen nach Verden zog war dabei kein Zufall. Denn die Stadt an der Aller ist führend für moderne, ökologische Bauweisen. Hier sitzt etwa das Ökozentrum Verden, zu dem auch das Norddeutsche Zentrum für nachhaltiges Bauen gehört, das derzeit größte und mit fünf Geschossen höchste strohgedämmte Gebäude Deutschlands.

Ralfs Schwerpunkt lag auf der Renovierung von alten Fachwerkhäusern. Jetzt will ich auch mal etwas Neues bauen, erinnert sich Anke an die Gedanken ihres Partners Ralf zu dieser Zeit, Anfang der Nuller-Jahre. Und so weit weg vom Schwerpunkt kam Ralf dann doch nicht. Ist doch die Bauweise, in der sie das Haus errichtet haben, eine Weiterentwicklung des traditionellen Fachwerkbaus. Das Prinzip ist einfach: senkrechte Ständer aus Vollholz, darüber die horizontalen Träger. Ganze Wände werden so im Werk vormontiert und dann auf der Baustelle in wenigen Tagen zu einem Haus verschraubt.

Hier kommen die Exoten, hier kommen die Ökos

Ökohäuser, so lassen sich naturnahe Bauten wohl am besten überschreiben. Den Menschen, die solche Häuser bauen, manche auch im Passivhausstandard, sind meist mehrere Aspekte wichtig. So ist das auch bei Anke und Ralf. Wenn schon neu bauen, dann wollten sie schonend mit Ressourcen umgehen – beim Bau und auch beim Leben im Haus. Und durch die Fertigbauweise geht es mit dem Bau eines solches Hauses meist schneller voran als bei klassischen Massivhäusern aus Stein. In der Siedlung Neumühlen dauerte es keine zwei Jahre vom ersten Planungstreffen bis zum Einzug von Anke und ihrem Mann. Als sie hier Mitte 2004 ihre Möbel ins Haus trugen, wunderten sich immer noch viele der neuen Nachbarn über die Menschen, die hier so anders bauten, mit dem Dachüberstand auf einer Seite und den Fertigteilen aus Holz. „Wir waren exotisch, wir waren die Ökos“, sagt Anke im Rückblick.

Anke ist in der Ökobewegung fest verwurzelt – auch im Wortsinn. Sie ist Agraringenieurin, hat auf einem ökologischen Saatgutbetrieb mitgearbeitet, auch mal eine Zeit in einem Wohnprojekt in der Uckermark gelebt und bis vor Kurzem in Verden einen Bio-Laden mitgeleitet. Für sie gehen nachhaltig ökologisches Handeln und das Leben und Arbeiten in der Gemeinschaft eng zusammen.

Die Gemeinschaft steht nicht nur im Vertrag

Beim Rundgang durch die Siedlung erzählt Anke, Ende 50, vom Leben in dieser Gemeinschaft. Denn diese stand nicht nur als bloße Idee im Raum, als etwas, was man sich vornimmt – sondern es wurde mitgebaut. Im Zentrum der Siedlung steht das Gemeinschaftshaus. Zwei Stockwerke, unten ein Raum für Yoga, Familienfeiern oder die Eigentümerversammlung, oben noch eine Wohnung, mit Küche, Gästezimmern und Bad, in der oft Besucher übernachten. Ein Treffpunkt, wenn nicht gerade die Corona-Pandemie zu Pflichtabstand führt, ist der Spielplatz vor dem Gemeinschaftshaus. Und in der Senke, die eigentlich mal ein Teich werden sollte, steht ein riesiges Trampolin. Hinter dem Haus picken gerade ein paar Vorwerkhühner. Einige Mitglieder der Genossenschaft kümmern sich um die Tiere und teilen sich die Eier. Daneben steht eine Grube, die auch ein zugewachsener Teich sein könnte, in der auf ökologische Weise Grauwasser gefiltert wird.

Auch mit guter Planung läuft in so einer Gemeinschaft nicht alles rund. Ein Beispiel dafür sieht man im Versorgungsraum, der im Gemeinschaftshaus untergebracht ist. Hier lief lange ein Blockheizkraftwerk mit Rapsöl. Doch es lief nicht so wie geplant, auch weil die Preise für den Biokraftstoff stiegen – es musste einer klassischen Gasversorgung weichen. Ausprobiert, nicht perfekt, abhaken – so sieht das Anke. Denn wer weiß heute schon, welche Bauweise, welche Anlagen jetzt und auch auf Dauer am nachhaltigsten sind. Wer nach vorne geht, muss eben auch den Mut haben, mal zu scheitern.

Nur die Hühner haben einen Zaun

Die Gemeinschaft hatte sich an die AllerWohnen eG, eine Genossenschaft für Wohnprojekte in Verden und Umgebung, angeschlossen.

In der Siedlung von Anke und ihren Mitstreitern leben heute knapp 30 Menschen. Einige der Regeln, die das Zusammenleben bestimmen, sind in Verträgen festgehalten. Da steht dann etwa auch, dass es keine Zäune zwischen den Grundstücken gibt. Fragen, Probleme, Investitionen – all das wird bei den Versammlungen besprochen. Ziel ist immer die Einstimmigkeit, aber im Zweifel kann auch eine einfache Mehrheit entscheiden. Für die Nachbarinnen und Nachbarn gibt es nur einen Pflichttermin: die monatliche Sitzung. Es ist hier so wie wahrscheinlich in allen größeren Gruppen und Vereinen: Manchmal entwickelt das Miteinander eine schöpferische Kraft, manchmal sind die Vorstellungen etwa von Tempo oder Einsatz unterschiedlich – und Dinge gehen langsamer voran. Das müsse man dann ganz pragmatisch sehen, sagt Anke. Weil es ihr mit einer nachhaltigeren Energieversorgung für alle zu langsam ging, installierte sie mit ihrem Partner eine Photovoltaikanlage an der Sonnenseite des Hauses.

Heute würden sie wohl mit Stroh bauen

Anke hat den Umzug aus Bremen an den Waldrand Verdens nicht bereut. Das Planen und Leben in der Gemeinschaft, das ist nicht immer stressfrei. Aber es bringe auch große Möglichkeiten. Und auch in ihrer Haushälfte, da fühlen sich Anke und ihr Partner Ralf immer noch wohl. Sicher, ein paar Details würden sie heute anders bauen, der fehlende Sonnenschutz etwa für die nach Süden ausgerichtete, hohe Hauswand ist ein Manko. Und heute würde das Paar wohl auf die Strohballenbauweise setzen, das war Anfang der Nuller-Jahre noch nicht erlaubt, manche in der Siedlung konnten später schon damit bauen.

Ein Bauplatz ist noch frei in der Siedlung und bietet Raum für eine Doppelhaushälfte. Was sollte man denn mitbringen, um in der Gemeinschaft aufgenommen zu werden? Denn die muss ja schließlich über potenzielle Bewerber entscheiden. Anke: „Man braucht Lust, gemeinsam etwas anzupacken, den Gewinn im Miteinander zu sehen.“ Und ein Fan von Kiesgärten sollte man wohl auch besser nicht sein.

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